Wo Glauben Raum gewinnt
Wo Glauben Raum gewinnt
Seit gut zehn Jahren befinden wir uns nun schon in einem Prozess, in dem versucht werden soll, die Ausstrahlung der Kirche zu verbessern. Bereits 2009 wurden innerhalb der Dekanate Pastorale Räume gebildet, um pastorales Personal effektiver einsetzen zu können und Synergieeffekte zu erzeugen. Im Advent 2012 gab dann Kardinal Woelki den offiziellen Startschuss zum Pastoralen Prozess „Wo Glaube Raum gewinnt“. In seinem Hirtenbrief schlägt er vor, jedes Treffen und jede Gremiensitzung mit einem Schriftgespräch zu beginnen, um der Perspektive Gottes wieder mehr Geltung zu verschaffen. So hoffte er, dass Gott wieder stärker in den Blick kommt und „… wir dann den Anderen als Schwester und Bruder erkennen [können] und die Nachbargemeinde nicht mehr als Konkurrenz zur eigenen erleben, … Gemeindliche und kirchliche Erneuerung ist – ich wiederhole es gerne – kein ausschließlich administrativer Vorgang, sondern ein geistlicher Weg, der in der Begegnung mit dem Herrn in Gebet, Heiliger Schrift und Eucharistie gründet.“
Doch was macht diesen Prozess zu einem „geistlichen“? Reicht es, jede Gremiensitzung mit einem Gebet oder einem Geistlichen Impuls zu beginnen oder am Ende schnell noch ein Vaterunser anzuhängen? Auch Sitzungen, die mit einem Schriftgespräch in Zweier- oder Dreiergruppen begannen habe ich erlebt. Meist waren das interessante, bereichernde Gespräche, aber mit der nachfolgenden Tagesordnung oder dem Verlauf der Sitzung hatten sie nichts zu tun. Deshalb: Wäre es nicht mindestens genauso gut, wenn jede(r) mit einem Lächeln in das Treffen ginge und mit der Bereitschaft, dem oder der Anderen in Ruhe zuzuhören und gemeinsam nach Gestaltungsmöglichkeiten zu suchen, die Gottes Wunsch nach einem erfüllten Leben für alle entsprechen?
Die meisten von uns werden den Prozess – wenn überhaupt – als einen administrativen wahrnehmen, bei dem bestimmte Dinge einfach festgelegt werden müssen. Liest man unser im letzten Jahr beschlossenes Pastoralkonzept, wird man aber feststellen, dass doch eine ganze Menge geistliche Orientierung drinsteckt. In unserer ‚Vision‘ – also unserer Zielvorstellung für die Kirche hier im Osten Berlins – heißt es: „Wir reagieren sensibel auf die geistigen und materiellen Nöte unserer Tage, suchen den Frieden, begegnen der Schöpfung mit Respekt und wirken mit an der Schaffung einer gerechten und solidarischen Welt.“ Das klingt doch ganz nach dem Wunsch Gottes für ein erfülltes Leben für alle. In den nachfolgenden Zielen und Maßnahmen wird versucht, dieses hehre Anliegen in praktikable Schritte umzusetzen. Um die aufgeführten Maßnahmen alle umzusetzen, brauchten wir allerdings vermutlich dreimal so viel haupt- und ehrenamtliches Personal wie gegenwärtig.
Ob wir überhaupt eine Chance haben, den Prozess als einen geistlichen weiterzuführen, wird sich schon in wenigen Monaten zeigen, wenn es darum geht, neue Gemeinderäte zu wählen. Diese Gemeinderäte sollen sich nicht nur um sämtliche pastoralen Angelegenheiten der Gemeinde kümmern, sondern auch eine Kultur der Offenheit und des Willkommenseins für alle Menschen entwickeln und Formen persönlicher und gemeindlicher Spiritualität fördern. Wenn das gelingt, dann kann Kirche wieder an Ausstrahlung gewinnen. In dem ebenfalls zu bildenden Pfarreirat, in den auch acht Personen aus dem gesamten Pastoralen Raum gewählt werden, soll die Arbeit der Gemeinderäte dann gebündelt und koordiniert werden. Gemeinsam – vor allem auch mit den Orten kirchlichen Lebens, die schon viel für das Reich Gottes tun – können wir der Kirche im Osten Berlins neuen Schwung verleihen.
Gemeindereferent Torsten Drescher